Das VG Gießen hat am 22.09.2015 eine Klage gegen die Anfang 2013 in Kraft getretene Reform der Professorenbesoldung im Land Hessen abgewiesen.
Seit dem Jahr 2005 war die Professorenbesoldung in Hessen (und anderen Bundesländern) so geregelt, dass die verfassungsgemäße Besoldung nach der Vorstellung des Gesetzgebers durch zwei Bestandteile gewährleistet wurde: ein – im Vergleich zur Rechtslage vor 2005 – abgesenktes Grundgehalt sowie variable Leistungsbezüge. Mit seinem auf Vorlagebeschluss des VG Gießen ergangenen Urteil vom 14.02.2012 entschied das BVerfG, dass das Grundgehalt der nach W2 besoldeten Professoren im Land Hessen verfassungswidrig zu niedrig bemessen war und dies nicht durch die Möglichkeit des Erhalts variabler Leistungszulagen kompensiert wurde. Es gab dem Landesgesetzgeber auf, spätestens mit Wirkung vom 01.01.2013 verfassungsgemäße Regelungen zu treffen. Daraufhin erließ der Landesgesetzgeber das Professorenbesoldungsgesetz. Darin wurde das Grundgehalt der nach W2 besoldeten Professoren angehoben. Außerdem wurde die Anrechnung der Grundgehaltserhöhung auf bestimmte Leistungszulagen, über die vor dem Jahr 2013 entschieden worden war, bestimmt. Leistungsbezüge, die sich danach verringerten, blieben jedoch mindestens zur Hälfte erhalten.
Die Klägerin, eine seit 2008 im Landesdienst stehende Professorin der Justus-Liebig-Universität Gießen (Fachbereich Sprache, Literatur, Kultur), hält das neue Grundgehalt der Besoldungsgruppe W2 sowie die Anrechnung der Leistungszulage für verfassungswidrig.
Das VG Gießen hat die Klage abgewiesen.
Nach Auffassung des Verwaltungsgerichts bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen das zum 01.01.2013 neu geregelte Grundgehalt der Besoldungsgruppe W2 oder gegen die zu diesem Zeitpunkt eingetretene Anrechnung der Grundgehaltserhöhung auf die der Klägerin zustehenden Leistungszulagen. Der Gesetzgeber habe sich bei der Festsetzung des Grundgehalts der Besoldungsgruppe W2 an der Besoldungsgruppe A15 orientieren dürfen. Das folge unmittelbar aus der Entscheidung des BVerfG vom 14.02.2012. Dort werde die Besoldungsordnung A als am ehesten mit der Besoldungsordnung W vergleichbar angesehen. Eine Orientierung an den unteren Besoldungsgruppen des höheren Dienstes (A13 und A14) scheide nach der zitierten verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung aus. Damit blieben für die Orientierung der Besoldungsgruppen W2 und W3 an der Besoldungsordnung A die Besoldungsgruppen A15 und A16. Der Gesetzgeber habe sein Ziel einer Orientierung der W2-Besoldung an der A15-Besoldung auch nicht verfehlt. Das Endgrundgehalt von W2 liege leicht über dem Endgrundgehalt von A15, allerdings erreichten nach A15 besoldete Beamte das Endgrundgehalt ihrer Besoldungsgruppe im Regelfall in jüngeren Jahren als nach W2 besoldete Professoren. Die sich daraus ergebenden Unterschiede im Gesamtlebenseinkommen erreichten indes kein solches Ausmaß, dass die grundsätzliche Orientierung der W2-Besoldung an der A15-Besoldung in Frage gestellt würde. Das BVerfG verlange keine inhaltsgleiche Ausgestaltung der beiden Besoldungsgruppen. Dies sei auch deshalb nicht veranlasst, weil es sich um unterschiedliche Ämter handele. Zu berücksichtigen sei außerdem, dass die Professoren wesentlich größere Freiheiten als nach A15 besoldete Beamte haben, die insbesondere im Bereich der flexibler gestaltbaren Dienstzeiten sowie den deutlich größeren Hinzuverdienstmöglichkeiten in Form von Leistungszulagen und Nebentätigkeitsentgelten lägen.
Darüber hinaus habe der Gesetzgeber auch die Anrechnung des erhöhten Grundgehalts auf die Leistungszulagen, über die vor 2013 entschieden worden war, bestimmen dürfen. Für diese Regelung gebe es einen sachlichen Grund, der die Interessen der von der Anrechnung betroffenen Professoren, wie etwa der Klägerin, deutlich überwiege. Anliegen des Gesetzgebers sei es gewesen, eine vom BVerfG für verfassungswidrig erklärte Reform gewissermaßen – jedenfalls teilweise – “rückabzuwickeln”. Dabei habe er vor dem Problem gestanden, dass vor 2013 vergleichsweise hohe Leistungszulagen gewährt werden konnten, weil nach der Vorstellung des Gesetzgebers die Leistungszulagen nicht allein die Leistung honorieren, sondern auch das abgesenkte Grundgehalt ausgleichen sollten. Bei einer Erhöhung des Grundgehalts ohne Anrechnung auf die Leistungszulage hätten daher Amtsinhaber wie die Klägerin doppelt profitiert: einmal durch die vor 2013 gewährte relativ hohe Leistungszulage und einmal durch das ab 2013 erhöhte Grundgehalt. Legitimes Anliegen des Gesetzgebers sei es daher gewesen, diesen Effekt zu vermeiden. Dass es dabei in Einzelfällen zu Friktionen und gewissen Härten kommen könne, sei im Interesse der einen legitimen Zweck verfolgenden Gesamtregelung hinzunehmen. In diesem Zusammenhang sei zu berücksichtigen, dass es den Gesetzgeber vor unüberwindbare Schwierigkeiten stellen würde, jeden nur erdenklichen Einzelfall zu erfassen und einer Regelung zuzuführen. Deshalb müsse er generalisieren und pauschalieren dürfen.
Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig. Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache hat das VG Gießen die Berufung zum VGH Kassel zugelassen.
VG Gießen, Urt. v. 22.09.2015 – 5 K 1802/13.GI (nicht rechtskräftig)
Pressemitteilung des VG Gießen v. 24.09.2015