Der VGH Mannheim hat am 20.07.2016 entschieden, dass verbeamtete Lehrer vorab auf die Geltendmachung von Reisekosten für außerunterrichtliche Veranstaltungen wirksam verzichten können, insbesondere verstoße es nicht gegen Treu und Glauben, wenn im Dienstreiseformular systematisch ein (Teil-)Verzicht auf Reisekosten abgefragt werde.
Die Verwaltungsvorschrift des Kultusministeriums vom 06.10.2002 “Außerunterrichtliche Veranstaltungen der Schulen” sieht vor, dass die Gesamtlehrerkonferenz über die Grundsätze der in einem Schuljahr stattfindenden Veranstaltungen berät und beschließt und dass die Genehmigung solcher Veranstaltungen durch den Schulleiter nur im Rahmen der verfügbaren, den Schulen vorab mitgeteilten Mittel möglich sind, es sei denn die teilnehmenden Lehrer und Begleitpersonen verzichten vorher ganz oder teilweise auf Reisekostenvergütung.
Das entsprechende Formular für Dienstreiseanträge enthält daher folgenden Text:
“Mir ist bekannt, dass ich einen Anspruch auf Reisekostenvergütung habe, auf den ich aber ganz oder teilweise verzichten kann. Außerdem ist mir bekannt, dass
• ein solcher Verzicht von mir nicht erwartet wird,
• eine Verzichts- oder Teilverzichtserklärung aber bei bereits verbrauchten Reisekostenmitteln die Veranstaltung ermöglichen kann,
• auch in diesen Fällen Anspruch auf beamtenrechtliche Unfallfürsorge bzw. Unfallversicherungsschutz besteht.
In Kenntnis dieser Sachlage erkläre ich:
Verantwortliche/r Lehrer/in
[ ] Ich werde die volle Reisekostenvergütung beantragen.
[ ] Ich verzichte auf den ___ Euro übersteigenden Betrag.
[ ] Ich verzichte auf Reisekostenvergütung.
Datum______ Unterschrift______“
Der Kläger ist verbeamteter Realschullehrer in Mosbach. Im Mai 2013 beantragte er bei seiner Schulleitung, eine fünftägige Abschlussfahrt mit Musicalbesuch in Berlin mit einer 10. Klasse als Dienstreise zu genehmigen. Er erklärte, ihm und einer Begleitperson entstünden voraussichtlich Kosten i.H.v. 220 Euro. Der Kläger kreuzte im Genehmigungsformular das zweite Feld an, unterschrieb die Erklärung und ließ das Feld zum Eintrag eines Euro-Betrages frei. Die Schulleiterin genehmigte den Dienstreiseantrag und füllte das Betragsfeld mit 88 Euro aus.
Das Landesamt für Besoldung und Versorgung setzte die Reisekosten des Klägers unter Hinweis auf seine Teilverzichtserklärung auf 88 € fest. Hiergegen erhob der Kläger Klage zum VG Karlsruhe. Dieses verpflichtete das Land Baden-Württemberg, ihm weitere Reisekosten i.H.v. 109,54 Euro zu gewähren. Das Land könne sich auf den Verzicht des Klägers nicht berufen, da dies gegen Treu und Glauben verstoße. Es sei zur Erstattung notwendiger, dienstlich veranlasster Reisekosten verpflichtet. Diese Fürsorgepflicht verletze das Land als Dienstherr, wenn er im Antragsformular für die Genehmigung von Dienstreisen für außerunterrichtliche Veranstaltungen systematisch einen Verzicht auf Reisekosten abfrage. Hierdurch werde ein schwerwiegender Interessen- und Loyalitätskonflikt ausgelöst, da vom Lehrer ein abwechslungsreicher Unterricht erwartet werde, ein Verzicht auf außerunterrichtliche Veranstaltungen die Missbilligung von Schülern und Eltern und negative Konsequenzen bei der dienstlichen Beurteilung nach sich ziehen und das Verlangen voller Reisekostenerstattung zum Vorwurf unkollegialen Verhaltens führen könne.
Der VGH Mannheim hat auf die Berufung des Landes das Urteil des VG Karlsruhe geändert und die Klage vollständig abgewiesen.
Nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshof ist der Verzicht auf eine Reisekostenvergütung rechtlich zulässig. Darin liege kein verbotener Verzicht auf die Besoldung. Denn die Reisekostenvergütung sei nicht Teil der Besoldung. Ohne Erfolg mache der Kläger geltend, er wisse bei Beantragung einer Dienstreise für eine außerunterrichtliche Veranstaltung nicht, welcher Betrag ihm für die Veranstaltung als Reisekosten zur Verfügung stehe. Die Verwaltungsvorschrift “Außerunterrichtliche Veranstaltungen der Schule” sehe ein Verfahren vor, das dem Lehrer ermögliche hinreichend konkret zu erfahren, welches Budget er für eine außerunterrichtliche Veranstaltung erhalte. Er könne mithin eine Veranstaltung durchführen, die dieses Budget einhalte, sodass ihm keine weiteren Kosten entstehen und ein (Teil-)Verzicht nicht erforderlich ist. Im Übrigen stehe es ihm auch frei, überhaupt keinen (Teil-)Verzicht zu erklären, sodass hernach Schulleitung bzw. Gesamtlehrerkonferenz entscheiden müssten, ob die Veranstaltung dennoch finanziert und durchgeführt werden könne. Das Land handle nicht wider Treu und Glauben, wenn es sich auf den Verzicht berufe.
Der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung sei nur begründet, wenn ein qualifiziertes Fehlverhalten des Dienstherrn vorliege. Daran fehle es hier. Der Dienstherr und damit auch die Schulen seien an die sich aus dem Landeshaushaltsrecht ergebenden Begrenzungen gebunden. Bei dem nach der Verwaltungsvorschrift erfolgenden Beschluss über die in einem Schuljahr stattfindenden außerunterrichtlichen Veranstaltungen habe die Gesamtlehrerkonferenz deshalb zu berücksichtigen, dass der Landesgesetzgeber hierfür nur begrenzte Mittel – in den Haushaltsjahren 2014, 2015 und 2016 jeweils rund 3 Mio. Euro – zur Verfügung gestellt habe. Innerhalb des Schulbudgets bestehe für die Schulen und Lehrer hingegen Gestaltungsfreiraum.
Dem Kläger wurden die Verfahrenskosten auferlegt. Die Revision wurde nicht zugelassen. Das Urteil kann innerhalb eines Monats nach Zustellung der vollständigen Entscheidung vom Kläger durch Beschwerde zum BVerwG angefochten werden.
VGH Mannheim, Urt. v. 20.07.2016 – 4 S 830/15
Pressemitteilung des VGH Mannheim Nr. 26 vom 21.07.2016