Der VGH Kassel hat entschieden, dass die hessischen Richterinnen und Richter keinen Anspruch auf Einrichtung eines sogenannten Lebensarbeitszeitkontos haben.
Ein Lebensarbeitszeitkonto hat das Land Hessen im Jahr 2009 für seine Beamtinnen und Beamten in der Hessischen Arbeitszeitverordnung eingeführt. Auf dem Lebensarbeitszeitkonto wird wöchentlich eine Stunde gutgeschrieben. Das sich daraus ergebende Stundenguthaben können die Beamtinnen und Beamte zu einem späteren Zeitpunkt, in der Regel zusammenhängend unmittelbar vor dem Ruhestandseintritt, in Anspruch nehmen. Die Einführung des Lebensarbeitszeitkontos diente dem Ausgleich der in Hessen für die Beamten vorgeschriebenen im Vergleich zu den Tarifbeschäftigten höheren Wochenarbeitszeit. So betrug bei Einführung des Lebensarbeitszeitkontos die Arbeitszeit der Beamten grundsätzlich 42 Stunden pro Woche, die der Tarifbeschäftigten 40 Stunden. Der Kläger ist hessischer Richter. Er begehrt vom beklagten Land Hessen die Einrichtung eines Lebensarbeitszeitkontos, was das Land für Richterinnen und Richter ablehnt.
Der Hessische Verwaltungsgerichtshof hat – wie zuvor das Verwaltungsgericht Frankfurt am Main – einen Anspruch von hessischen Richterinnen und Richtern auf ein Lebensarbeitszeitkonto verneint.
Die beamtenrechtlichen Regelungen der Arbeitszeit, zu denen auch die das Lebensarbeitszeitkonto betreffenden Vorschriften der Hessischen Arbeitszeitverordnung zählen, finden danach auf Richter keine Anwendung. Der Gesetzgeber hat in Hessen für Richterinnen und Richter keine Arbeitszeit vorgesehen. Die von ihnen zu erbringende Arbeitsleistung bemisst sich vielmehr nach einem Arbeitspensum, das durch den Arbeitsanfall (Bestände und Eingänge) und dessen Verteilung durch das aus Richtern bestehende Präsidium in richterlicher Unabhängigkeit bestimmt wird. Das schließt es aus, die Regelungen über die Einrichtung des Lebensarbeitszeitkontos, die an die Arbeitszeit der Beamtinnen und Beamten anknüpfen, auf Richter unmittelbar oder entsprechend anzuwenden. Auch aus der Verfassung, namentlich dem Gleichheitssatz, ergibt sich nichts anderes. Die Unterschiede zwischen Richtern und Beamten, die den unterschiedlichen Staatsgewalten der Rechtsprechung und der Verwaltung angehören, rechtfertigen unterschiedliche Regelungen der jeweils zu erbringenden Arbeitsleistung und damit auch zur Einrichtung eines Lebensarbeitszeitkontos.
Der Senat hat die Revision zum Bundesverwaltungsgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen.
VGH Kassel, Urt. v. 28.10.2021 – 1 A 2254/17
Pressemitteilung des VGH Kassel Nr. 25/2021 v. 29.10.2021