Das LG Limburg hat am 07.06.2018 zwei Bedienstete des rheinland-pfälzischen Justizvollzugs wegen fahrlässiger Tötung jeweils zu Freiheitsstrafen von neun Monaten verurteilt, die einem bereits vielfach insbesondere einschlägig wegen verschiedener Straßenverkehrsdelikte vorbestraften Häftling die Unterbringung im offenen Vollzug beziehungsweise Vollzugslockerungen gewährten.
Nach den Feststellungen des Landgerichts gewährten die beiden verurteilten Angeklagten einem bereits vielfach insbesondere einschlägig wegen verschiedener Straßenverkehrsdelikte vorbestraften Häftling die Unterbringung im offenen Vollzug bzw. Vollzugslockerungen. Die Verlegung von der JVA Wittlich in den offenen Vollzug der JVA Diez erfolgte dann im November 2013. In der Folgezeit nahm der Häftling – welcher niemals einen Führerschein besessen hat – während ihm umfangreich gewährter Freigänge regelmäßig mit Kraftfahrzeugen am Straßenverkehr teil. Während eines Freigangs im Januar 2015 befuhr dieser Häftling auf dem Weg zurück in die JVA Diez die A3 bei Limburg. Hier entzog er sich durch Flucht mit seinem Fahrzeug einer Polizeikontrolle und fuhr als Geisterfahrer mit hoher Geschwindigkeit auf die B49 in Richtung Weilburg auf. Auf dieser Flucht im Gegenverkehr kollidierte er mit dem Fahrzeug einer jungen Frau, welche an den hierbei erlittenen Verletzungen verstarb. Der Häftling wurde im Anschluss durch das LG Limburg a.d. Lahn wegen Mordes rechtskräftig zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt.
Das LG Limburg hat zwei Bedienstete des rheinland-pfälzischen Justizvollzugs wegen fahrlässiger Tötung jeweils zu Freiheitsstrafen von neun Monaten verurteilt; die Vollstreckung der Freiheitsstrafen hat das Landgericht zur Bewährung ausgesetzt. Einen weiteren Angeklagten hat das Landgericht freigesprochen. Den ebenfalls gegenüber allen drei Angeklagten mit der Anklageschrift erhobenen Vorwurf der Beihilfe zum Fahren ohne Fahrerlaubnis – welcher vorsätzliches Handeln voraussetzt – hat das Landgericht bei keinem der Angeklagten als erwiesen erachtet.
Das Landgericht hat die seitens der beiden verurteilten Angeklagten getroffenen Entscheidungen der Unterbringung im offenen Vollzug und der Gewährung von Lockerungen aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalles für fehlerhaft und unvertretbar erachtet. Bei der Prüfung durch die Angeklagten seien hiernach eine Vielzahl offenkundiger Anzeichen nicht beachtet worden, welche die erhebliche Gefahr weiterer Straftaten durch den Häftling begründeten. So wurde nach den Ausführungen des Landgerichts beispielsweise bei der Prognoseentscheidung nicht berücksichtigt, dass der Häftling bereits zuvor mehrere allgemeingefährliche Straftaten im Straßenverkehr begangen hatte. Dies auch im Rahmen hochgefährlicher Fluchtfahrten vor der Polizei. So beruhe etwa die Haftstrafe unter anderem auf einem Vorfall, bei dem der Häftling im Rahmen einer Fluchtfahrt bewusst auf eine Polizistin zugefahren war. Bei sorgfaltsgemäßer Prüfung hätte deshalb weder die Verlegung in den offenen Vollzug erfolgen noch hätten Vollzugslockerungen gewährt werden dürfen.
Das Landgericht hat darauf hingewiesen, dass die Entscheidung weder die generelle Zulässigkeit des offenen Vollzuges verneint, noch sich hiermit überhaupt befasst. Auch sei die Entscheidung nicht so zu verstehen, dass JVA-Mitarbeiter im Falle gewährender Lockerungsentscheidungen dafür einzustehen haben, wenn Häftlinge während der Lockerungen Straftaten begehen. Die strafrechtliche Verantwortlichkeit der Angeklagten beruhe vielmehr auf der Verantwortung für die Folgen des eigenen sorgfaltswidrigen Verhaltens, welches nach den Feststellungen hier ein solches Ausmaß hatte, dass die getroffenen Entscheidungen unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt vertretbar waren.
Der freigesprochene Angeklagte sei in die in der JVA Wittlich getroffene Entscheidung der Verlegung in den offenen Vollzug insbesondere dergestalt eingebunden gewesen, dass er die der Gewährung zugrundeliegende Vollzugsplankonferenz geleitet habe. Hierbei habe er sich gegen eine Verlegung in den offenen Vollzug ausgesprochen, wurde aber von seiner mitangeklagten Dienstvorgesetzten angewiesen, einen entsprechenden Vollzugs- und Eingliederungsplan vorzubereiten, welchen diese dann unterzeichnete. Soweit sich aus beamtenrechtlichen Vorschriften seine Pflicht ergeben könne, gegen rechtswidrige Entscheidungen seiner Dienstvorgesetzten zu remonstrieren, hat das Landgericht nicht feststellen können, dass dies zu einer abweichenden Entscheidung geführt hätte.
LG Limburg, Urt. v. 07.06.2018 – Az. unbekannt
Pressemitteilung des LG Limburg v. 07.06.2018