Das BVerwG hat am 20.07.2017 entschieden, dass Feuerwehrbeamte, die sich freiwillig bereit erklärt haben, über die Höchstarbeitszeit von 48 Stunden in der Woche hinaus zu arbeiten, hierfür von ihren Dienstherrn Freizeitausgleich verlangen können.
Könne der Dienstherr den primär auf Freizeitausgleich gerichteten Ausgleichsanspruch der Beamten nicht binnen Jahresfrist erfüllen, so bestehe ab dem Folgemonat der Geltendmachung dieses Anspruchs ein Entschädigungsanspruch in Geld, so das BVerwG.
Das BVerwG hatte über Ausgleichsansprüche von kommunalen Feuerwehrbeamten im Land Brandenburg (Potsdam, Oranienburg und Cottbus) im Wesentlichen im Zeitraum zwischen 2007 und 2013 zu entscheiden. Während dieser Zeit verrichteten die Beamten auf eigenen Antrag Schichtdienst mit bis zu 56 Wochenstunden. 2010 und später machten sie geltend, die Dienstzeit, die über die unionsrechtlich zulässige Höchstarbeitszeit von 48 Wochenstunden hinausgehe, sei infolge fehlerhafter Anwendung und Umsetzung von Unionsrecht als unionsrechtswidrige Zuvielarbeit finanziell abzugelten.
Damit hatten sie in den Vorinstanzen überwiegend Erfolg.
Das BVerwG hat auf die Revisionen der beklagten Städte die auf den unionsrechtlichen Haftungsanspruch gestützten Klagen der Feuerwehrbeamten für die Zeiträume abgewiesen, die vor der erstmaligen Geltendmachung des Ausgleichsanspruchs für unionsrechtswidrige Zuvielarbeit durch die Beamten lagen. Für die Zeiträume nach der Geltendmachung des Ausgleichs für die Zuvielarbeit hat das BVerwG jeweils das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das OVG Berlin-Brandenburg zurückverwiesen.
Nach Auffassung des BVerwG ist dem Grunde nach ein unionsrechtlicher Haftungsanspruch der Kläger gegen ihre Dienstherren zu bejahen. Die unionsrechtlich fehlerhafte Umsetzung der nach der EU-Arbeitszeitrichtlinie möglichen Ausnahmeregelung (“Opt-Out”) von der wöchentlichen Höchstarbeitszeit von 48 Stunden (mit Einverständnis der Beamten) sei zwar vom brandenburgischen Landesgesetzgeber zu verantworten. Die Anwendung des fehlerhaften Landesrechts (hier: von Rechtsverordnungen über die Arbeitszeit von Feuerwehrbeamten aus den Jahren 2007 und 2009) sei aber den beklagten Städten als Dienstherren der Feuerwehrbeamten anzulasten. Denn damit hätten sie den Anwendungsvorrang des Unionsrechts nicht beachtet. Die Rechtsverordnungen verletzten offenkundig jedenfalls das in der EU-Arbeitszeitrichtlinie geregelte Nachteilsverbot, wonach keinem Arbeitnehmer Nachteile daraus entstehen dürften, dass er nicht bereit sei, mehr als 48 Stunden innerhalb eines Siebentageszeitraums zu arbeiten. Dieses Nachteilsverbot habe der brandenburgische Gesetzgeber erst in einer 2014 in Kraft getretenen Rechtsverordnung über die Arbeitszeit von Feuerwehrbeamten normiert.
Auch auf der Grundlage des unionsrechtlichen Haftungsanspruchs habe der Dienstherr aber nur die unionsrechtswidrige Zuvielarbeit auszugleichen, die ab dem auf die erstmalige Geltendmachung folgenden Monat geleistet werde. Ansprüche, deren Festsetzung und Zahlung sich – anders als beamtenrechtliche Besoldungs- oder Versorgungsansprüche – nicht unmittelbar aus Gesetz ergäben, bedürften einer vorherigen Geltendmachung. Für Ansprüche wegen rechtswidriger Zuvielarbeit gelte dies in besonderer Weise. Diese seien nicht primär auf die Zahlung eines finanziellen Ausgleichs gerichtet, sondern auf die Beseitigung des rechtswidrigen Zustands. Durch den Hinweis des Beamten sei daher zunächst eine Prüfung seines Dienstherrn veranlasst, ob eine Änderung der Arbeitszeitgestaltung erforderlich sei und ob eine rechtswidrige Zuvielarbeit – etwa durch Anpassung der maßgeblichen Dienstpläne – vermieden oder durch die Gewährung von Freizeitausgleich kompensiert werden könne. Ohne entsprechende Rüge müsse der Dienstherr nicht davon ausgehen, jeder Beamte werde die Überschreitung der aktuellen Arbeitszeitregelung beanstanden. Auch hinsichtlich der möglichen finanziellen Ausgleichspflicht habe der Dienstherr ein berechtigtes Interesse daran, nicht nachträglich mit unvorhersehbaren Zahlungsbegehren konfrontiert zu werden.
Ab dem Monat nach einer berechtigten Rüge des Beamten habe der Dienstherr, kompensiert er die rechtswidrige Zuvielarbeit nicht mit Freizeitausgleich, diese Zuvielarbeit nach den Grundsätzen über die Mehrarbeitsvergütung auszugleichen. Der finanzielle Ausgleich erfolge dabei nicht pauschal nach der Differenz zwischen der Höchstarbeitszeit und der genehmigten Zuvielarbeit. Er richte sich vielmehr nach den vom Beamten konkret geleisteten Dienststunden.
BVerwG, Urt. v. 20.07.2017 – 2 C 31.16 u.a.
Pressemitteilung des BVerwG Nr. 53/2017 v. 21.07.2017