Das VG Wiesbaden hat am 23.07.2018 entschieden, dass ein Beamter auf Probe, nachdem er an gegen die Asyl- und Flüchtlingspolitik der Bundesregierung gerichteten Demonstrationen teilgenommen hatte, aus dem Beamtenverhältnis entlassen werden durfte.
Der Antragsteller hatte u.a. am 30.01.2016 an einer gegen die Asyl- und Flüchtlingspolitik der Bundesregierung gerichteten Demonstration unter dem Motto “Büdingen wehrt sich – Asylflut stoppen” teilgenommen und dabei gemeinsam mit anderen Teilnehmern ein Transparent mit der Aufschrift “Asylbetrug macht uns arm” geführt. Bei dieser Aufschrift handelte es sich um eine NPD-Kampagne aus dem Jahr 2015. Nach einer Lageeinschätzung des Bundesinnenministeriums wurde die Demonstration von der NPD beworben und führte u.a. zu besonderer medialer Aufmerksamkeit, weil sie ausgerechnet am 83. Jahrestag der Machtergreifung Adolf Hitlers stattfand und von der Veranstalterin ursprünglich als Aufzug mit Fackeln geplant war, was gerichtlich jedoch untersagt wurde. Außerdem hatte der Antragsteller bereits am 14.11.2015 an einer ähnlichen Demonstration in Wetzlar teilgenommen, sich zudem auch in verschiedenster Weise in den sozialen Medien u.a. über Flüchtlinge geäußert und dort Kontakte zu Persönlichkeiten der rechten Szene gepflegt. Zum 20.04.2016 hatte er in einem sozialen Netzwerk “einer der bedeutendsten Personen der deutschen Geschichte” zum Geburtstag gratuliert und dabei auszugsweise gepostet: “Egal wie laut die Menschen heute gegen Dich hetzen, damals hätten sie alle mitgemacht! Von vielen wirst Du gehasst, und von vielen jedoch genauso verehrt. Ganz egal wie oft sie Deinen Namen versuchen in den Dreck zu ziehen, ganz egal wie oft man versucht in irgendwelchen Pseudo-Dokumentationen die damalige Zeit als ‚soooo furchtbar‘ schlimm zu degenerieren. Du bist das, was sie niemals werden: Ein bedeutender Teil der deutschen Geschichte! In diesem Sinne: Alles Gute zum Geburtstag, Jasmin ‚Blümchen‘ Wagner!” Bei dem 20. April handelt es sich zugleich um den Geburtstag Adolf Hitlers, dem nach Einschätzung des Landesamtes für Verfassungsschutz von Rechtsextremen häufig unter Synonymen gratuliert werde, um den tatsächlichen Bezug zu verschleiern. Das Regierungspräsidium Darmstadt hatte gegen den Antragsteller aufgrund der Teilnahme an einer der Demonstrationen zunächst ein Disziplinarverfahren durchgeführt und eine Ermahnung ausgesprochen. Als nach und nach immer mehr Tatsachen bekannt wurden, wurde er erst von seinen Dienstpflichten entbunden und sodann am 05.10.2017 aus dem Beamtenverhältnis auf Probe entlassen. Durch sein Verhalten biete der Antragsteller keine Gewähr dafür, jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung einzutreten, und habe sich deshalb als im beamtenrechtlichen Sinne insgesamt ungeeignet erwiesen.
Das VG Wiesbaden hat den gegen diesen Bescheid gerichteten Eilantrag abgelehnt.
Nach Auffassung des Verwaltungsgerichts ist die Voraussetzung für eine Entlassung aus dem Beamtenverhältnis auf Probe, nämlich die Nichtbewährung in der Probezeit, gegeben. Der Antragsteller habe sich wegen seiner Teilnahme an NPD-nahen Demonstrationen sowie seiner Äußerungen in den sozialen Medien nicht bewährt, da er wegen Verletzung seiner politischen Treuepflichten als im beamtenrechtlichen Sinne ungeeignet zu betrachten sei. Unter politischer Treuepflicht sei die Pflicht zur Bereitschaft zu verstehen, sich mit der Idee des Staates, dem der Beamte dienen soll, mit der freiheitlichen demokratischen, rechts- und sozialstaatlichen Ordnung dieses Staates zu identifizieren. Dies stelle ausdrücklich keine Verpflichtung dar, sich mit den Zielen oder einer bestimmten Politik der jeweiligen Regierung zu identifizieren. Auch ein Beamter sei zugleich Staatsbürger und als solcher berechtigt, Kritik zu artikulieren und für Änderungen bestehender Verhältnisse einzutreten. Letztlich könnten auch Staat und Gesellschaft kein Interesse an einer unkritischen Beamtenschaft haben. Unverzichtbar sei aber, dass der Beamte den Staat und die geltende verfassungsrechtliche Ordnung, so wie sie in Kraft steht, bejahe, sie als schützenswert anerkenne, in diesem Sinne sich zu ihnen bekenne und aktiv für sie eintrete. Die politische Treuepflicht verlange vom Beamten insbesondere, dass er sich eindeutig von Gruppen und Bestrebungen distanziere, die diesen Staat, seine verfassungsmäßigen Organe und die geltende Verfassungsordnung angriffen, bekämpften und diffamierten. Dies könne der Staat erst recht in Krisenzeiten und in ernsthaften Konfliktsituationen erwarten, in denen der Staat darauf angewiesen sei, dass der Beamte Partei für ihn ergreife. Soweit der Antragsteller meine, bei den Demonstrationen und in den sozialen Medien habe er berechtigten Widerstand gegen die Asyl- und Flüchtlingspolitik der Bundesregierung geleistet und dabei lediglich sein Grundrecht auf freie Meinungsäußerung wahrgenommen, welches ihm auch als Beamten zustünde, sei dem entgegenzutreten. Zwar stünden dem Antragsteller unstreitig Grundrechte, insbesondere die Meinungsfreiheit und die Versammlungsfreiheit, zu. Diese Grundrechte unterlägen jedoch auch Einschränkungen, u.a. durch die beamtenrechtliche Treuepflicht, die sich aus Art. 33 Abs. 5 GG herleite.
Gegen den Beschluss können die Beteiligten beim VGH Kassel Beschwerde einlegen.
VG Wiesbaden, Beschl. v. 23.07.2018 – 3 L 5382/17.WI
Pressemitteilung des VG Wiesbaden Nr. 3/2018 v. 23.07.2018