Der EuGH hat am 15.11.2016 entschieden, dass der Ausschluss von Bewerbern, die älter als 35 Jahre sind, von einem Auswahlverfahren zur Einstellung von Polizeibeamten mit dem Unionsrecht vereinbar ist.
Das Vorhandensein besonderer körperlicher Fähigkeiten stelle eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung in Bezug auf solche Polizeibeamten dar, so der EuGH.
Herr Gorka S. bestreitet die Rechtmäßigkeit einer von der Academia Vasca de Policía y Emergencias (Baskische Akademie für Polizei und Rettungsdienste, Spanien) veröffentlichten Bekanntmachung eines Auswahlverfahrens zur Einstellung von Polizeibeamten bei der Autonomen Gemeinschaft des Baskenlands. Gemäß dieser Bekanntmachung durften die Bewerber für die Teilnahme an diesem Auswahlverfahren das 35. Lebensjahr noch nicht vollendet haben. Herr S., der zum Zeitpunkt des Auswahlverfahrens älter als 35 Jahre war, ist der Auffassung, dass die in der Bekanntmachung vorgeschriebene Altersgrenze den Zugang zu öffentlichen Funktionen ohne angemessenen Grund beschränke. Herr S. bezieht sich insoweit auf die Richtlinie über die Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (RL 2000/78/EG – ABl. 2000, L 303, 16), deren hauptsächlicher Zweck darin besteht, verschiedene Arten von Diskriminierung zu bekämpfen. Diese Richtlinie verbietet insbesondere im Bereich der Beschäftigung jegliche direkte oder indirekte Diskriminierung wegen des Alters. Im Jahr 2014 hat der EuGH in der Rechtssache “Vital Pérez” (Urt. v. 13.11.2014 – C-416/13) entschieden, dass die Richtlinie einer nationalen Regelung entgegensteht, die das Höchstalter für die Einstellung von Beamten der örtlichen Polizei auf 30 Jahre festlegt.
Das Tribunal Superior de Justicia de la Comunidad Autónoma del País Vasco (Oberster Gerichtshof der Autonomen Gemeinschaft des Baskenlands, Spanien) hatte dem EuGH daher die Frage gestellt, ob eine Regelung, die vorsieht, dass die Bewerber für Beamtenstellen bei einer Polizei, die mit der Wahrnehmung von Einsatz- und Vollzugsaufgaben betraut ist, das 35. Lebensjahr noch nicht vollendet haben dürfen, gegen die Richtlinie verstößt.
Der EuGH hat entschieden, dass die Richtlinie einer nationalen Regelung, die vorsieht, dass die Bewerber auf Stellen für Polizeibeamte, die für die Wahrnehmung von Einsatz- und Vollzugsaufgaben vorgesehen sind, das 35. Lebensjahr noch nicht vollendet haben dürfen, nicht entgegensteht.
Nach Auffassung des EuGH begründet diese Regelung offensichtlich eine Ungleichbehandlung wegen des Alters, da sie zur Folge hat, dass bestimmte Personen allein deshalb, weil sie das 35. Lebensjahr vollendet haben, eine weniger günstige Behandlung erfahren als andere Personen in vergleichbaren Situationen. Nach der Richtlinie gelte die Ungleichbehandlung wegen des Alters nicht als eine Diskriminierung, wenn ein Merkmal, das mit dem Alter zusammenhängt, wie das Vorhandensein besonderer körperlicher Fähigkeiten, eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung darstelle.
Die Aufgaben betreffend den Schutz von Personen und Sachen, die Festnahme und Ingewahrsamnahme von Straftätern sowie der präventive Streifendienst könnten die Anwendung körperlicher Gewalt erfordern. Die Natur dieser Aufgaben mache besondere körperliche Fähigkeiten erforderlich, da körperliche Schwächen bei der Ausübung dieser Tätigkeiten beträchtliche Konsequenzen haben könnten, und zwar nicht nur für die Polizeibeamten selbst und für Dritte, sondern auch für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung. Demzufolge könne das Vorhandensein besonderer körperlicher Fähigkeiten, um die wesentlichen Aufgaben der Polizei der Autonomen Gemeinschaft des Baskenlands zu erfüllen, als eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung für die Ausübung dieses Berufs angesehen werden.
Bezüglich der Rechtssache Vital Pérez stellt der EuGH klar, dass die Aufgaben, die die Polizeikräfte der Autonomen Gemeinschaften wahrnehmen, von den Aufgaben verschieden sind, die der örtlichen Polizei zugewiesen sind. In der Stufe, für die das Auswahlverfahren organisiert worden sei, werden keine administrativen Aufgaben wahrgenommen. Für diese Art von Aufgaben werde ein anderes spezielles Auswahlverfahren ohne Altersgrenze organisiert.
In Anbetracht der massiven Überalterung der Polizei (die in der Rechtssache Vital Pérez nicht gegeben war) bestehe die Notwendigkeit, Vorkehrungen für eine schrittweise Ersetzung der ältesten Beamten durch die Einstellung von jüngerem Personal zu treffen. Ein junger Beamter sei nämlich in der Lage, die körperlich anstrengenden Aufgaben effizienter zu erfüllen, was im Übrigen genau der Grund dafür sei, dass die Beamten dieser Polizei ab dem Alter von 56 Jahren von bestimmten Gestaltungsmöglichkeiten Gebrauch machen könnten (Verringerung der jährlichen Arbeitszeit, Befreiung vom Nachtdienst usw.). Zur Wiederherstellung einer zufriedenstellenden Alterspyramide sei das Vorhandensein besonderer körperlicher Fähigkeiten deshalb dynamisch zu beurteilen, d.h. unter Berücksichtigung der Dienstjahre, die der Beamte nach seiner Einstellung absolviert habe.
Der EuGH hat daher festgestellt, dass die spanische Regelung angesichts des Ziels, die Einsatzbereitschaft und das ordnungsgemäße Funktionieren des Polizeidienstes der autonomen Gemeinschaft des Baskenlands zu gewährleisten, als angemessen angesehen werden kann.
Quelle: Pressemitteilung des EuGH Nr. 125/2016 v. 15.11.2016