Das VG Berlin hat am 06.06.2016 entschieden, dass eine Erkrankung an einer Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) einer Einstellung in den Polizeivollzugsdienst nicht immer entgegensteht.
Der 1993 geborene Kläger bewarb sich 2014 für den gehobenen Dienst der Schutzpolizei im Land Berlin. Der Beklagte lehnte seine Bewerbung unter Berufung auf dessen Erkrankung an ADHS ab. Der Kläger könne daher Aufgaben und Tätigkeiten nicht ausführen, die besondere Anforderungen an die Konzentrationsfähigkeit, das Reaktionsvermögen, die Umstellungs- und Anpassungsfähigkeit und die Merkfähigkeit stellten. Auch sei er komplexen Arbeitsvorgängen nicht gewachsen, die mit einem Drei-Schicht-Betrieb und mit Zeitdruck verbunden seien. An Polizisten seien zudem wegen deren Befugnis, Waffen zu tragen, besondere Anforderungen an die gesundheitliche Eignung zu stellen. Der Kläger berief sich demgegenüber darauf, dass die Erkrankung lediglich bis zu seinem 19. Lebensjahr medikamentös behandelt worden sei; seitdem hätten sich keine Symptome mehr gezeigt.
Das VG Berlin hat nach Einholung eines Sachverständigengutachtes festgestellt, dass die Nichteinstellung des Klägers rechtswidrig war.
Nach Auffassung des Verwaltungsgerichts ist der Kläger nach den Feststellungen des Gutachters aktuell nicht dienstunfähig. Die Krankheit habe zwar im Kindes- und Jugendalter vorgelegen, er weise jedoch keine Symptomatik einer ADHS im Erwachsenenalter mehr auf. Neuropsychologische Tests bescheinigten dem Kläger in allen Bereichen normgerechte oder sogar überdurchschnittliche Ergebnisse und gerade keinerlei für ADHS-typische neuropsychologische Defizite. In seinem Fall sei auch nicht überwiegend wahrscheinlich, dass er wegen dauernder Dienstunfähigkeit vorzeitig in den Ruhestand versetzt oder bis zur Pensionierung über Jahre hinweg regelmäßig krankheitsbedingt ausfallen werde. Auch wenn ein erneuter Ausbruch nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden könne, sei dies mit Blick auf seinen aktuellen Gesundheitszustand unwahrscheinlich.
Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache wurde die Berufung zum OVG Berlin-Brandenburg zugelassen.
Quelle: Pressemitteilung des VG Berlin Nr. 27/2016 v. 20.06.2016