Das BVerwG hat am 19.04.2018 entschieden, dass tatsächliche Feststellungen eines rechtskräftigen Strafurteils im sachgleichen Disziplinarverfahren grundsätzlich auch dann bindend sind, wenn es sich um ein Urteil eines ausländischen Strafgerichts handelt.
Ausnahmen bestünden – wie bei deutschen Strafurteilen – dann, wenn die Feststellungen offenkundig unrichtig seien, so das BVerwG.
Der Beklagte, ein Ruhestandsbeamter, wendet sich gegen die Aberkennung des Ruhegehalts. Er war von einem slowakischen Gericht rechtskräftig wegen des sexuellen Missbrauchs Minderjähriger zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt worden. Das Strafurteil wurde zunächst in der Slowakischen Republik und sodann im Bundesgebiet vollstreckt.
Im sachgleichen Disziplinarverfahren hatte das Verwaltungsgericht dem Beklagten das Ruhegehalt aberkannt. Die dagegen gerichtete Berufung hatte der Verwaltungsgerichtshof zurückgewiesen.
Das BVerwG hat die Revision des Ruhestandsbeamten zurückgewiesen.
Nach Auffassung des BVerwG kommt den tatsächlichen Feststellungen eines rechtskräftigen ausländischen Strafurteils im Disziplinarverfahren, das denselben Sachverhalt zum Gegenstand hat, grundsätzlich Bindungswirkung zu. Das Disziplinargericht habe aber dann den Sachverhalt selbst zu ermitteln, wenn die tatsächlichen Feststellungen des Strafgerichts offenkundig unrichtig seien, etwa weil sie unter Verletzung rechtsstaatlicher Mindeststandards zustande gekommen seien. Dies folge aus der Auslegung der einschlägigen Vorschrift – hier § 57 Abs. 1 Bundesdisziplinargesetz – unter Beachtung der Verfahrensgarantien, die das Grundgesetz, die Europäische Menschenrechtskonvention und das Unionsrecht vorgeben (insbesondere Gesetzesvorbehalt, rechtliches Gehör, faires Verfahren). Dabei könne regelmäßig davon ausgegangen werden, dass die Verfahrensgarantien eines EU-Mitgliedstaates rechtsstaatlichen Mindeststandards genügen.
Im konkreten Fall erwiesen sich die tatsächlichen Feststellungen im slowakischen Strafurteil nicht als offenkundig unrichtig. Zentrale Erfordernisse des fairen Verfahrens – etwa Dolmetscherleistungen, genügende Sachverhaltsaufklärung, auch durch medizinische Sachverständige zur Klärung der Schuldfähigkeit, und das Recht, die Belastungszeugen vor dem Strafgericht zu befragen – habe das slowakische Strafgericht beachtet.
BVerwG, Urt. v. 19.04.2018 – 2 C 59.16
Pressemitteilung des BVerwG Nr. 23/2018 v. 19.04.2018