Der EuGH hatte am 21.01.2015 zu entscheiden, ob es eine unionsrechtlich verbotene Altersdiskriminierung darstellt, wenn vor Vollendung des 18. Lebensjahrs zurückgelegte Schulzeiten für die Gewährung und die Berechnung der Höhe einer Beamtenpension in Österreich nicht angerechnet werden.
Herr F. arbeitet in Österreich als Professor und ist als solcher Bundesbeamter. Er klagt vor dem österreichischen Verwaltungsgerichtshof dagegen, dass nach den auf ihn anwendbaren Rechtsvorschriften drei Schuljahre, die er vor seinem 18. Lebensjahr absolviert hat, nicht als sog. Ruhegenussvordienstzeiten für die Berechnung seiner (künftigen) Pensionsansprüche berücksichtigt werden. Da nach dem 18. Lebensjahr absolvierte Schulzeiten angerechnet werden könnten, liegt seiner Ansicht nach eine unionsrechtlich verbotene Altersdiskriminierung vor.
Der österreichische Verwaltungsgerichtshof möchte in diesem Zusammenhang vom EuGH u.a. wissen, ob die fragliche Nichtberücksichtigung von vor dem 18. Lebensjahr absolvierten Schulzeiten eine Ungleichbehandlung aufgrund des Alters im Sinne des Unionsrechts darstellt ob sie ggfs. gerechtfertigt ist. Er weist darauf hin, dass Beamte auch nach ihrem Eintritt in den Ruhestand weiterhin in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis stehen und die Pension als Fortzahlung eines Entgelts betrachtet wird.
Der EuGH hat dem österreichischen Verwaltungsgerichtshof wie folgt geantwortet:
Art. 2 Abs. 1 und 2a und Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27.11.2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf sind nach Auffassung des EuGH dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden, die die Anrechnung von Schulzeiten, die ein Beamter vor Vollendung des 18. Lebensjahrs zurückgelegt hat, für die Gewährung eines Pensionsanspruchs und die Berechnung der Höhe seiner Pension ausschließt, nicht entgegenstehen, da sie zum einen objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel der Beschäftigungs- und der Arbeitsmarktpolitik gerechtfertigt ist, und zum anderen ein angemessenes und erforderliches Mittel zur Erreichung dieses Ziels ist.
Zur Frage der Anwendbarkeit der Richtlinie hat der EuGH festgestellt, dass die Höhe der Pension von den Dienstzeiten und Ruhegenussvordienstzeiten sowie den Dienstbezügen des Beamten abhängt. Die Pension stelle eine künftige Geldzahlung des Arbeitgebers an die Arbeitnehmer als unmittelbare Folge des Beschäftigungsverhältnisses dar. Sie werde nach innerstaatlichem Recht nämlich als Fortzahlung eines Entgelts im Rahmen eines nach Übertritt des Beamten in den Ruhestand weiter bestehenden Dienstverhältnisses angesehen. Die Pension stelle daher ein Entgelt im Sinne des Unionsrechts dar. Infolgedessen berühre die hier in Rede stehende Regelung (§ 54 Abs. 2a des Pensionsgesetztes 1965) dadurch, dass bei einem Teil der Beamten vor Vollendung des 18. Lebensjahrs zurückgelegte Schulzeiten nicht als sog. Ruhegenussvordienstzeiten angerechnet werden, die Bedingungen des Arbeitsentgelts dieser Beamten im Sinne der Richtlinie, die sohin anwendbar sei.
Zu der Frage, ob die hier in Rede stehende Regelung zu einer Ungleichbehandlung wegen des Alters in Beschäftigung und Beruf führt, hat der EuGH festgestellt, dass gemäß dieser Regelung die Zeit eines abgeschlossenen Studiums des Beamten an einer mittleren Schule, höheren Schule, Akademie oder verwandten Lehranstalt anzurechnen ist, soweit die gesetzliche Mindestdauer des Studiums nicht überschritten wurde (§ 53 Abs. 2h PG 1965). Diese Anrechnung werde jedoch auf die Zeit beschränkt, die der Beamte nach Vollendung des 18. Lebensjahrs zurückgelegt habe (§ 54 Abs. 2a PG 1965). Eine solche Regelung begünstige die Personen, die ein solches Studium nach ihrem 18. Geburtstag beenden oder absolvieren, da nur bei ihnen die vor ihrem Dienstantritt beim Bund an einer mittleren oder höheren Schule zurückgelegten Schulzeiten angerechnet werden. Eine solche Regelung schaffe eine Ungleichbehandlung von Personen aus Gründen des Alters, in dem sie ihre Schulausbildung absolviert haben. Dieses Kriterium könne dazu führen, dass zwei Personen, die eine gleichartige Ausbildung absolviert haben, allein wegen ihres jeweiligen Alters ungleich behandelt werden. Eine solche Vorschrift schaffe damit eine Ungleichbehandlung, die unmittelbar auf dem Kriterium des Alters beruht.
Zu der Frage, ob diese Ungleichbehandlung gerechtfertigt sein kann, hat der EuGH festgestellt, dass unter den von ihm näher betrachteten Umständen eine Maßnahme wie die in § 54 Abs. 2a des Pensionsgesetzes 1965 vorgesehene in Anbetracht des weiten Ermessens, das den Mitgliedstaaten nicht nur bei der Entscheidung darüber zustehe, welches konkrete Ziel sie im Bereich der Arbeits- und Sozialpolitik verfolgen wollen, sondern auch bei der Festlegung der zu seiner Erreichung geeigneten Maßnahmen, ein angemessenes Mittel zur Erreichung der verfolgten Ziele sei und nicht über das zu ihrer Erreichung Erforderliche hinausgehe.
Hinsichtlich der mit der in Rede stehenden nationalen Regelung verfolgten Ziele hat der EuGH darauf hingewiesen, dass aus den Akten hervorgehe, dass die Anrechnung von Vordienstzeiten, die der Beamte außerhalb des Dienstverhältnisses zurückgelegt habe, eine Ausnahmeregel sei, die eingeführt worden sei, damit Beamte, die vor ihrem Eintritt in das Dienstverhältnis mit dem Bund eine höhere Ausbildung absolviert hätten als Beamte, für die keine besondere Schulausbildung Ernennungsvoraussetzung sei und die deshalb schon mit 18 Jahren in ein Dienstverhältnis mit dem Bund eintreten konnten, nicht benachteiligt würden. So seien die Regelungen des Beamtenpensionssystems darauf ausgelegt, dass die für die Berechnung der Pensionshöhe maßgebliche Gesamtdienstzeit nur bis zum Mindestalter für die Aufnahme in den Staatsdienst zurückreiche. Die hier in Rede stehende nationale Regelung diene zur Vereinheitlichung des Zeitpunkts des Beginns der Leistung von Beiträgen zum Versorgungssystem und damit zur Einhaltung des Pensionseintrittsalters. In diesem Zusammenhang sei der Ausschluss einer Anrechnung der vor Vollendung des 18. Lebensjahrs zurückgelegten Schulzeit dadurch gerechtfertigt, dass der Betreffende in dieser Zeit grundsätzlich keine Erwerbstätigkeit ausübe, in deren Rahmen Versorgungsbeiträge geleistet würden.
Da die Verfolgung eines solchen Ziels die Wahrung des Grundsatzes der Gleichbehandlung für alle Personen eines bestimmten Sektors im Zusammenhang mit einem wesentlichen Gesichtspunkt ihres Arbeitsverhältnisses wie dem Zeitpunkt des Eintritts in den Ruhestand zu gewährleisten vermöge, stelle es ein legitimes beschäftigungspolitisches Ziel dar.
EuGH, Urt. v. 21.01.2015 – Rs. C-529/13
Pressemitteilung des EuGH vom 21.01.2015