Der VGH Kassel hat in zwei Verfahren festgestellt, dass die Beamtenbesoldung in Hessen in den Jahren 2013 bis 2020 nicht den verfassungsrechtlichen Anforderungen entsprochen hat.
Das Land Hessen ist durch das Grundgesetz verpflichtet, seine Beamtinnen und Beamten angemessen zu besolden. Das Bundesverfassungsgericht hat verschiedene Kriterien entwickelt, mit deren Hilfe die Angemessenheit der Beamtenbesoldung überprüft werden kann. Dazu gehört unter anderem ein Abstand der Beamtenbesoldung zur Grundsicherung für Arbeitssuchende. Die Besoldung der Beamtinnen und Beamten in der untersten Besoldungsgruppe muss mindestens 15 Prozent über dem Grundsicherungsniveau liegen. Verglichen werden dabei Alleinverdienerfamilien mit zwei minderjährigen Kindern, da die vierköpfige Alleinverdienerfamilie Bezugsgröße in der Besoldungspraxis ist. Außerdem muss zwischen den einzelnen Besoldungsgruppen ein hinreichend großer Abstand gewahrt werden. Das heißt, Beamtinnen und Beamte der höheren Besoldungsgruppen müssen wegen der höheren Wertigkeit der ihnen anvertrauten Tätigkeiten ein höheres Einkommen haben als Beamtinnen und Beamte der niedrigeren Besoldungsgruppen.
Der für das öffentliche Dienstrecht zuständige 1. Senat des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs hat heute in zwei Verfahren festgestellt, dass die Beamtenbesoldung in Hessen in den Jahren 2013 bis 2020 nicht den verfassungsrechtlichen Anforderungen entsprochen hat. In den einzelnen Jahren wird bis zur Besoldungsgruppe A 9, teilweise auch bis zur Besoldungsgruppe A 10 der notwendige Mindestabstand zur Grundsicherung für Arbeitssuchende nicht eingehalten. Eine verfassungsrechtliche Rechtfertigung hierfür gibt es nicht. Von diesem Defizit der A-Besoldung der Beamtinnen und Beamten wird auch die nach der Besoldungsgruppe W 2 erfolgende Besoldung von Professorinnen und Professoren erfasst, da sich diese an der A-Besoldung orientiert.
Da es dem Hessischen Verwaltungsgerichtshof verwehrt ist, die Verfassungswidrigkeit der vom Gesetzgeber geschaffenen Beamtenbesoldung selbst verbindlich festzustellen, hat er dem hierfür zuständigen Bundesverfassungsgericht ein die Besoldung nach Besoldungsgruppe A 6 betreffendes sowie ein die Professorenbesoldung nach Besoldungsgruppe W 2 betreffendes Verfahren zur Entscheidung vorgelegt, ob die jeweilige Besoldung im Zeitraum 1. Juli 2016 bis einschließlich 2020 (Besoldung nach A 6) und im Zeitraum von 2013 bis 2020 (Besoldung nach W 2) verfassungsgemäß gewesen ist.
VGH Kassel, Urt. v. 30.11.2021 – 1 A 863/18, 1 A 2704/20
Pressemitteilung des VGH Kassel Nr. 26/2021 v. 30.11.2021