Das VG Hannover hat am 18.07.2019 die beklagte Polizeiakademie Niedersachsen verpflichtet, über die Bewerbung des Klägers neu zu entscheiden, bei dem eine mehrjährig und erfolgreich therapierte HIV-Infektion besteht.
Bei dem Kläger, der sich gegen die Ablehnung seiner Einstellung wendet, besteht eine mehrjährig antiviral therapierte HIV-Infektion. Infolge der Therapie liegt bei ihm die Viruslast konstant unter der Nachweisgrenze. Das Verwaltungsgericht hat zu der Frage, ob diese Infektion zur Polizeidienstuntauglichkeit führt, ein Sachverständigengutachten eingeholt. Der Gutachter sollte sich insbesondere zu den Fragen äußern, ob der Kläger den Anforderungen des Polizeivollzugsdienstes gesundheitlich gerecht werden könne, ohne dienstunfähig zu werden und ob ein Ansteckungsrisiko für Bürger oder Kollegen in Einsatzsituationen bestehe. Der Gutachter ist zu dem Schluss gekommen, dass bei der therapierten HIV-Infektion des Klägers keine Bedenken für eine Tätigkeit als Polizeibeamter bestünden. Die beklagte Polizeiakademie Niedersachsen tritt dem entgegen. Sie verweist darauf, dass es im beruflichen Alltag bei körperlichen Auseinandersetzungen zu blutenden Verletzungen bzw. Blutkontakten komme. Auch bei einer Viruslast unter der Nachweisgrenze seien weiterhin Viren im Blut vorhanden und es bestehe ein Infektionsrisiko. Die Fürsorgepflicht gegenüber anderen Bediensteten sowie das Verantwortungsbewusstsein gegenüber Dritten gebiete es, die Bewerbung des Klägers abzulehnen. Der Kläger begehrt in erster Linie eine Verpflichtung der Beklagten, ihn für den Vorbereitungsdienst einzustellen. Außerdem fordert er Schadensersatz wegen Diskriminierung nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz.
Das VG Hannover ist der Auffassung des Sachverständigen gefolgt, dass bei dem Kläger weder eine vorzeitige Dienstunfähigkeit drohe noch ein Risiko bestehe, dass er Kollegen oder Bürger anstecken könnte.
Das Verwaltungsgericht hat dabei hervorgehoben, dass seine Einschätzung nicht allgemein für HIV-Infizierte Geltung beansprucht, sondern sich auf die gesundheitliche Situation des effektiv therapierten Klägers beziehe. Da der Kläger das Auswahlverfahren für den Polizeidienst noch gar nicht durchlaufen hatte, habe er nicht mit Erfolg seine Einstellung als Polizeikommissar-Anwärter beanspruchen können, sondern nur eine erneute Entscheidung über seine Bewerbung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zur Frage der Polizeidiensttauglichkeit.
Schadensersatz oder Entschädigung wegen Diskriminierung nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz hat das Verwaltungsgericht dem Kläger hingegen nicht zugesprochen, weil nach seiner Auffassung schon die Frist von zwei Monaten für die Geltendmachung solcher Ansprüche nach Ablehnung der Bewerbung nicht eingehalten wurde. Es hat gleichwohl angemerkt, dass es auch in der Sache nicht von einer Diskriminierung des Klägers ausgeht, weil seine Polizeidiensttauglichkeit erst infolge des vom Gericht eingeholten Sachverständigengutachtens fundiert bewertet werden konnte.
Das VG Hannover hat wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache die Berufung zum OVG Lüneburg zugelassen. Dies hatten die Beteiligten auch jeweils für den Fall des Unterliegens ausdrücklich beantragt.
VG Hannover, Urt. v. 18.07.2019 – 13 A 2059/17
Pressemitteilung des VG Hannover v. 18.07.2019